Wahrscheinlich passiert so etwas, wenn Korrespondenten in Amerika vor lauter Wahlkampf den Überblick verlieren, dann eilige Anrufe aus Deutschland bekommen, man möge doch mal ganz schnell was zu Trumps Pressekonferenz im Trump-Tower machen, die natürlich schon zuende gegangen ist, von der es noch keinen Videomitschnitt gibt – weshalb man dann schnell bei den amerikanischen Kollegen nachliest, um aus diesen Vorlagen zehn Absätze zu stricken. Ungünstig, wenn es bei all dem inhaltlich um das Verhältnis des Kandidaten zu ebenjenen Kollegen geht, deren Texte man gerade konsumiert.
Den ganzen Morgen titelte Spiegel Online heute mit „Politiker versus Medien: Trumps neuer Feind Nummer eins“. Und der Text von Roland Nelles, Diplom-Politologe, Absolvent der Axel-Springer-Journalistenschule, Korrespondent in Washington, soll irgendwas mit Journalismus zu tun haben. Tatsächlich kann man nicht mal das Genre erkennen. Hipper Trumps-3-Verfehlungen-Listical? Kommentar? Bericht??? Im Text stehen Sätze wie: „Alles war für eine große, nette Show vorbereitet. Bis Trump ausrastete.“ Oder: „Mehr und mehr zeigt sich, dass Trump nicht nur unfähig ist, mit Kritik umzugehen, sondern dass er offenbar generell ein vordemokratisches Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit hat.“
Ich bin mir nicht ganz sicher. Wenn man als Amerika-Korrespondent die Trump-Kandidatur verfolgt, bekommt man dann erst im Juni 2016 mit, dass Trump bewusst und strategisch einen Krieg gegen die Medien führt – den er tatsächlich längst gewonnen hat, spätestens als Megyn Kelly von Fox-News vor ihm zu Kreuze kroch? Bekommt man als Journalist auch heute noch nicht mit, wie kalkuliert die Auftritte Trumps sind? Schon zu Beginn des Auftritts gestern ist deutlich zu bemerken, dass Trump auf Krawall gebürstet war und am Ende, 40 Minuten später, ist überdeutlich, dass Trump auch diese Auseinandersetzung gegen die Medien für sich entschied – wie geplant.
Trump hatte sich – oh Wunder! – vorbereitet. Er sprach das Thema der Veteranenunterstützung zum für ihn richtigen Zeitpunkt an, er hat die Liste der (mit Geld, statt nur Versprechen) von ihm unterstützten Veteranengruppen minutenlang genüsslich vortragen können und sich seine zur Beschimpfung ausgesuchten Journalisten-Opfer namentlich parat gelegt. Das wichtigste allerdings – und deswegen auch dieser Text hier, mit Vorabclips für den nächsten Podcast – ist der Auftritt eines Veteranen, der mehr oder weniger spontan kurz von Trump das Wort erteilt kriegt, um die Presse anzuklagen, dass sie das Schicksal der Veteranen nur missbrauche für ihre dämliche Horse-Race-Politikberichterstattung. Tja, was will man als Journalist dagegen sagen oder schreiben. Am besten nichts, wie Roland Nelles und hoffen, das es niemand bemerkt. Im Clip zu sehen ab Minute 3:41 und nächste Woche in A!118.