A!263 – Drachentöter

Freitag, 19. Januar 2018, 17:42 Uhr

Die Christdemokraten fragen, ob “der Familiennachzug wirklich so wichtig ist” und selbstloben ihr Erreichen von weniger als 200.000 Flüchtlingen im vergangenen Jahr. Wir wissen aber, Deutschland kann mehr. Und Europa? Darüber diskutieren wir heute etwas ausführlicher. Ursula von der Leyen darf nun wieder Bundestagsmitglieder mit zu den Soldaten im Syrien-Einsatz nehmen. Wir hören also Ö-Töne von der AfD vom Flugfeld. Und wir hören Albrecht von Lucke zu, der Juso Kevin Kühnert bewundert, ihn aber auch zum Boris Johnson der SPD erklärt. Sonntag ist Parteitag.

Wir danken unseren Produzenten Martin, Timo, Marius, Konrad, S., Gonzalo und unseren Unterstützern Radha, Christopher, Heiko, Vitali, Achim, Bernhard, Alexander, Arne, Linda, Lidia, Robert, Martin, Cedric, Sebastian, Domenico, Valentin, Dirk, Peter und Sophie, Alexander, Sascha, Marco, Constantin, Jonas, Thorsten, Maxim, Karl,, Daniel, Claudia, Felix, Sebastian, Alexander, Moritz, Marlene, Kay, Talea, Josefine, Martin und Lars.

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32 Gedanken zu „A!263 – Drachentöter“

  1. Der dänische Staat bewegt gerade 5000 Verwaltungsarbeitsplätze aus Kopenhagen und verteilt die über ganz Dänemark (haben sie 2015 schon mal mit 4000 Jobs gemacht). Ich finde das ziemlich gut als Antwort auf „Was ist eigentlich die Zukunft für Leben auf dem Land“, da schafft man Platz in der Metropole, gibt einen Anreiz aufs Land zu ziehen, die Infrastruktur muss dann sowieso gleich mitausgebaut werden, die Behörden können ja nicht über ISDN Skypen und außerdem endlich nochmal ein Beispiel für echten Gestaltungsspielraum der Politik.

    Ich habe keine einzige deutschsprachige Quelle dafür gefunden leider. Man erfährt in Deutschland ja nicht, was so los ist bei unseren kleineren Nachbarn.

  2. Hi, habt ihr das Thema „linke Sammelbewegung“ verpennt. Schade dass ihr das nicht besprecht. Oder hab ich das was verpasst?

  3. Ich finde es gut, dass es beim Thema Europa so kontrovers wird.

    Zunæchst: Eine wie auch immer geartete Weiter-/Neuentwicklung
    Europas (alleine) wird die meisten Herausforderungen nicht lösen, ist aber notwendig.

    Der „Piketty-Vorschlag“ (wie er im Video vorgestellt wird) ist Unsinn:
    1. wie Stefan sagte: kein Regierungschef wird zustimmen
    2. warum neues Paralament gründen, wenn man schon eines hat welches Schritt für Schritt mehr Rechte bekommt?
    3. er hängt den alten Vorstellungen von Wachstum und Vollbeschäftigung nach (Zitat: Mandat „dauerhaftes Wachstum und Beschäftigung zu fördern“)
    4. er suggeriert, wenn man das „demokartiedefizit“ behoben hat, also ein Parlament mit vollen Rechten analog zum Bundestag, erledigt sich der Rest von allein.
    5. er vergisst, dass die Rechte von kleinen Ländern nur geschützt werden können, wenn es auch eine Institution gibt, in der jedes Land eine (oder in etwa eine) Stimme hat (vgl. Senat (USA) oder Bunderat (D)).

    Ein europäischer Finanzminister mit Budget kann dagegen vielleicht einige Probleme lösen:
    internationale Konzeren zum Steuern zahlen bewegen,
    Banken daran hindern gegen Staaten zu wetten,
    einen Ausgleich ziwschen ärmeren und reicheren Regione schaffen,
    .-

    Die hohe Jugendarbeitslosigkeit, Landflucht, wachsende Ungleichheit, … wird jedoch nicht durch ein anderes Europa gelöst.
    Denn diese sind Folge der Transformation von einer Industrie- und Wachstumsgesellschaft in etwas Neues. Dazu benötigt man neue Ideen wie zum Beispiel das Projekt, welches @Meningoenzep im ersten Kommentar vorstellt.
    Oder Grundeinkommen,
    Lokalwæhrungen,
    Wohnprojekte,
    autofreie Stadt,
    20-Stundenwoche,
    kostenloser Nahverkehr,
    kostenloses Eurorail-Ticket für alle 18 Jährigen,
    Glasfaser für alle,

  4. Zum Thema Organspende: Eigentlich ist es überhaupt nicht schwierig, einen Organspendeausweis zu erhalten. Man muss da auch keine Formulare ausfüllen. Im Gegenteil: nach der letzten Novellierung des Transplantationsgesetzt sind alle Krankenkassen dazu verpflichtet ihren Mitgliedern einen Organspendeausweis einfach zu zu schicken und sie entsprechend zu informieren – und das alle zwei Jahre. Man muss ihn einfach ausfüllen und bei sich tragen. Das war’s dann schon. Abgesehen davon kann man auch einfach mit seinen Angehörigen über die eigene Position zur Organspende sprechen. Denn im Fall, dass eine Entscheidung ansteht, werden die Angehörigen gefragt, ob sie einer Organentnahme zustimmen würden. Bei Stefan wäre ja jetzt klar, was die sagen sollten.

    Eigentlich ist es also sehr leicht in Deutschland, sich zum Organspender zu erklären. Die Leute machen es scheinbar dennoch nicht. Das ist komisch und bedauerlich.

  5. Hallo Tilo und Stefan!
    Die österreichische Regelung über die Organentnahme bei Verstorbenen ist die Widerspruchslösung, heißt man muss zu Lebzeiten gegen eine Entnahme widersprechen.

  6. Den Organspendeausweis zu bekommen ist, wie schon einige andere geschrieben haben wirklich kein Problem. Mich würde aber mal interessieren wie viele Menschen in Deutschland diesen Ausweis haben. Mein Eindruck ist, dass besonders viele Leute in den jüngeren Bevökerungsgruppen einen Ausweis haben allerdings sterben die halt nicht so oft weshalb aus diesen Gruppen dann keine Organe zu erwarten sind.

  7. Denke auch Macron ist vor allem Nationalist der die EU als Selbstbedienungsladen sieht. So wie wir auch. Trotzdem er ist gut für uns weil er Dynamik reinbringt die einige hier vlt endlich zum Nachdenken bringt. Will man wirklich römische Verhältnisse mit wechselnden Kaisern aus D und F und die restlichen „Provinzen“ müssen zuschauen? Mit noch weiteren Auflösungserscheinungen wie der Visegrad Gruppe und Brexit? Denn darauf läufts auch mit Macron als neuen „EU Kaiser“ weiter hinaus. Oder wird man umdenken müssen? Und das könnte dann der Anfang eines Prozesses sein an dem eine EU steht die Tilos Ideal Vorstellungen garnicht so unähnlich sein muss. Vergleich hinkt etwas aber ohne Napoleon und die Befreiungskriege auch keine Deutsche Staatsbildung letzendlich! Macron könnte längerfristig (unbeabsichtigt) eine ähnlich positive Wirkung für die EU entfalten.

  8. Thema Organspende: Anscheinend bekommt man alle zwei Jahre einen mit der Post und muss dann nur noch ankreuzen und in die Brieftasche stecken (Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/tpg/BJNR263100997.html § 2).

    Ich bin noch nicht so lange versichert und kann mich ehrlich gesagt nur daran erinnern ihn bei Eintritt einmal geschickt bekommen zu haben (und diesen trage ich auch noch bei mir). Die darauf folgenden Briefe habe ich dann wahrscheinlich wie alle anderen einfach entsorgt.

  9. Zur „Vorwarnzeit“ bei einem potentiellen Erstschlag seitens Nordkorea nur so viel, schon in den 80er haben die atomaren Großmächte die Erstschlagskapazitäten des Gegners genauestens im Blick gehabt und zwar fast schon in Echtzeit. Wenn Nordkorea sich heute anschicken würde, was ABSOLUT ABSURD ist, zu einem Erstschlag auszuholen, dann wissen die Amis dies schon, wenn die Koreaner die Rakete mit Treibstoff betanken… ach was sag ich, wenn sie ihn bestellen. Den Dienstplan für den Abschusstag haben sie sicher auch schon. Also die reine Flugzeit ist bei weitem nicht die mögliche Vorwarnzeit.

  10. Auch zum Organspendeausweis:
    Ich denke, man sollte den rechtlichen Hintergrund da nicht unterschätzen. Ich habe mal gelesen/gehört, dass Patientenverfügungen der Organspende entgegenstehen können.
    Vielleicht sollte hier wirklich ein Jurist/Rechtspfleger/Arzt per Hörerkommentar (das ist gut für unser Land!) mal etwas ausführlicher dazu Stellung beziehen.
    Die praktische Umsetzung finde ich auch nicht gelungen. Eine zentrale Erfassung wäre sinnvoller. Was passiert, wenn man den Ausweis zufälligerweise nicht dabei hat oder irgendwo rumliegen hat und man verunfallt?

  11. Super Diskussion mal wieder von euch beiden zu Macron in der letzte Folge.
    Sehe es da wie Stefan, dass du da etwas zu idealistisch an die Sache ran gehst, Thilo. Nur weil nicht das Maximum gefordert wird, ist es nicht schlecht.

  12. Da schon so viel zum Thema Organspende gesagt wurde, will ich nur noch kurz einwerfen, dass man bis zu 1000 Organspendeausweise kostenlos bei der BZgA bestellen kann (https://www.organspende-info.de/organspendeausweis/bestellen). Habe seither immer mindestens 10 zu Hause, falls mal wieder jemand erzählt er würde gerne spenden aber es ist zu viel Aufwand 😉 (und Nein, die verfallen nicht nach 2 Jahren :D)
    Grüße
    PS: Tilo und Stefan macht so weiter, ist immer ein Genuss euch zuzuhören

  13. Muss mich schon gleich anfangs für meinen Ton entschuldigen, hab noch ganz rote Backen vom Zuhören und es platzt aus mir raus, weil es mir in den letzten Monaten immer mehr auffällt:
    Wäre Tilo frisch gebackener Abiturient, würde mich sein patziges Allesscheissefinden ja zum Schmunzeln bringen, aber Realitätsverweigerung und sich mit Soundbites selber abfeiern ist für 2 Stunden Podcast auf Dauer zu wenig.
    Ich habe schon mehr als einmal längliche und freundliche inhaltliche Ausführungen zu juristischen Missverständnissen vorm Posten wieder gelöscht, weil ich befürchtete, es sei absolut verlorene Liebesmüh. Der Tilo, der weiss eh schon alles, ist die Message, die bei mir ankommt, und das finde ich eine bedauerliche Entwicklung.

  14. So, jetzt nochmal in ruhig, ein paar Anmerkungen zu Tilo und Macron.
    Es macht den Eindruck, Tilo präsentiere stolz seine investigative Recherche über das Doppelspiel Macrons. Dazu nur zwei Dinge: Erstens ist ein politischer Redner, der sich vorher nicht mit den Erwartungen seines Publikums auseinandersetzt, kein guter politischer Redner, und zweitens scheint da Ressentiment gegenüber Nichtlinken durch (über Corbyn zB, der sich in Sachen Brexit am laufenden Band selbst wiederspricht, feierst du ja hart ab).

    Dann zum Vorschlag von Piketty, der ist aus mehrfacher Hinsicht problematisch.
    Erstens: intergouvernmentale Verträge werden, so sieht es das Grundgesetz vor, ausgearbeitet von Exekutiven ohne inhaltliche Beteiligung des Bundestags. Es wäre also schon schwierig, solche Institutionen demokratisch legitimiert ins Leben zu rufen. Da gibts dann „Gipfeltreffen“ von nationalen Delegationen und fertig ist, Bundestag darf den Vorschlag insgesamt annehmen/ablehnen (Art. 58 GG), aber wir alle kennen die Fraktionsdisziplin. Schon die Gründung einer solchen Institution hätte grosse Legitimationsmängel.

    Weiterhin: Zu glauben, ein übermorgen von nationalen Exekutiven neu gegründetes Parlament würde gleichberechtigte Gestaltungsrechte wie die dazugehörige transnationale Exekutive erhalten, ist sehr sehr naiv. Das EP hat sich seine Rechte über 40 Jahre erkämpft, und das liegt, lieber Tilo, daran, dass es zunächst auf einem intergouvernmentalen Vertrag fusste. Keine Exekutive hat ein Interesse, sich freiwillig seine eigene Macht zu beschneiden. Diese erkämpfte Macht des EP kann man mit schnippischen Strohmannargumenten kleinreden, oder man kann die Realität anerkennen und sich zB angucken, wie die Gesetzgebung von Verordnungen und Richtlinien in Brüssel inzwischen konkret funktioniert. Da ist es nämlich tatsächlich so, dass erstens Rat&Kommission das EP frühzeitig einbinden (Stichwort Trilog) obwohl sie es rechtlich nicht müssten, einfach weil der öffentliche Druck da ist, und zweitens gilt das Struck’sche Gesetz („Kein Gesetzt kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“) inzwischen auch fürs EP. Das ist noch nicht das Ende, keine Frage, aber immer wenn Tilo es mit patzigen Kommentaren kleinzureden versucht, staune ich über seine Weigerung, die Komplexität der Welt anzuerkennen.

    Weiterhin kann ich das Argument, es würde so endlich ein „richtiges“ Parlament entstehen nicht nachvollziehen, da zumindest Tilo immer wieder durchscheinen lässt, dass er den Bundestag inhaltlich auch nicht für voll nimmt, solange er nicht mehr mit Menschen vom Schlage Marco Bülow besetzt ist. Dann ist es doch aber doppelt und dreifach naiv, zu glauben, ein von nationalen Regierungen ins Leben gerufenes transnationales Parlament würde im Moment seiner Gründung mit substantieller Macht versehen, wenn das schon auf nationaler Ebene durch die Normative Kraft des Faktischen nicht richtig funktioniert.
    Das Gegenteil wäre also der Fall, ein neu zu gründendes Parlament müsste ebenfalls 40 Jahre kämpfen um dahin zu kommen, wo das Europäische Parlament heute ist.
    Und schlussendlich: transnationale Listen machen überhaupt erst ab dem Moment Sinn, wo es soetwas wie eine europäische Öffentlichkeit gibt, aber die sehe ich weit und breit nirgends.

    Zuletzt sei noch gesagt, dass diese „Flucht in die Intergouvernmentalität“ wie sie in der Griechenlandfrage ja länglich praktiziert wurde, obwohl ein völkerrechtlicher Rahmen (die EU-Verträge) existiert, ein Krisensymptom ist, und nicht etwa das Aufzeigen eines „neuen Wegs“. Das ist eher ein Fall von „Dann bau ich mir halt meine eigene Institution, mit Blackjack und Nutten!“ als der Versuch, etablierte demokratische Prozesse zu nutzen. Und deren Ausbau, das ist mir noch wichtig, klarzustellen, scheitert nicht an „den Mächtigen“, sondern an Art. 79 Absatz 3 Grundgesetz (falls euch das inhaltlich interessiert, führe ich das gerne ein andernmal weiter aus, jetzt muss ich zur Arbeit!)

  15. Zum Macronstreit. Es wurde wahrscheinlich aneinander vorbei geredet. Ihr wollt beide einen Punkt machen. Aber mit verschiedenen Schwerpunkten. Tilos Hauptpunkt ist gut vorstellbar. Nämlich. Die EU Vorschläge Macrons sind ein außenpolitisches Ablenkungsmanöver. „Schaut her Franzosen ich bin super beliebt im Ausland. Da mache ich doch innenpolitisch keine Fehler. Lasst mich alle innenpolitischen Projekte einfach durchziehen liebe Franzosen, okay? Ich hab den Erfolg gepachtet, ich bin der Drachentöter, okay?“

    „Und WENN meine Vorschläge nur in Bruchteile kommen sind Martin und Angela Schuld, okay?“

    Tilo findet ja die Vorschläge nicht schlecht. Er vermutet, dass Macron sie nicht aus aufrichtigen, EU-liebenden, sondern machtpolitischen Gründen aufstellte. Dafür sprechen würde die so bedacht gewählten Zeitpunkte beispielsweise der Sourbonnerede und ihre Unkonkretheit.

    Ebenso ist Stefans Punkt gut nachvollziehbar. Radikallösungen a la Piketty sind geschichtsvergessen. Noch nie etwas von „Integration“ gehört Piketty? Es ist absolut unrealistisch eine EU von der grünen Wiese aus hochzuziehen. Als würden noch keine Institutionen existieren.
    Dennoch kann ich verstehen dass Tilo sich dagegen wehrte argumentativ für die Vorschläge einzutreten. Der Inhalt selbst war nicht der Punkt den er machen wollte. Aber auch beeindruckend von Stefan darauf zu bestehen das derart einfache Lösungen nicht der Tenor des Podcasts sein sollen.

    Ihr solltet unbedingt mal gemeinsam den Film „Im Rausch der Daten“ durchsprechen oder die Hauptfigur Jan Philipp Albrecht direkt in den Podcast einladen. In dem Film werden parlamentarische Prozesse der EU sehr realistisch dargestellt. Und als Spoiler. Es ist nicht alles schlecht. Dann kann Tilo nicht mehr sagen, dass das Parlament vollkommen machtlos ist.

  16. ähem also zum organspenden. ob man n ausweis hat oder nicht, iss am ende irrelevant. es entscheiden im zweifel immer die angehörigen! also erstmal mit den liebsten klären, daß man organe spenden will. wenn ich einen spenderausweis habe, aber meine frau den ärzten sagt, geräte abschalten, dann gilt ihr wort und meine organe werden nicht entnommen. egal, wie viele ausweise ich zu hause rumliegen habe 😉
    LG

  17. Hallo Stefan, hallo Tilo,

    Ich mache dieses Jahr mein Abi und habe vor kurzer Zeit eine GFS (falls ihr nicht wisst, was diese wunderbare Abkürzung im deutschen Bildungssystem bedeutet: gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen->meist ein Vortrag mit Ausarbeitung, wird wie eine Klausur gewertet) über das Thema „Organspende“ gehalten und bin wohl bei meiner Recherche sogar etwas übers Ziel hinausgeschossen und habe (zu) viel Zeit rein gesteckt. Deswegen wollte ich mich zu dem Thema mal äußern:

    Die Organspende-Regelung bei uns in Deutschland nennt sich „erweiterte Zustimmungsregelung“. Bedeutet, ein Organspender muss zu Lebzeiten seine Zustimmung irgendwie dokumentiert haben oder (und das ist die Erweiterung) er hat seine Haltung nicht dokumentiert und seine nächsten Angehörigen entscheiden für ihn nach einem zur Organspende geeigneten Hirntod.

    Meiner Meinung nach ist einer der Hauptgründe dafür, dass Deutschland das „arschlochmäßigste Land in Sachen Organspende“ die mangelnde Information. In den Schulen steht das Thema so weit ich weiß in keinem Lehrplan und wenn man überhaupt mal mit dem Thema konfrontiert wird, dann nur von irgendwelchen NGOs.

    Für die Dokumentation seiner Haltung reicht nämlich eigentlich jedes unterschriebene Dokument aus, der Organspendeausweis ist quasi nur eine Art Vorlage. Wichtig ist eigentlich nur, dass dieses Dokument dann entweder ständig mitgeführt wird oder ein naher Angehöriger Bescheid weiß, in welcher Schreibtischschublade er den Wisch findet. Übrigens ist auch das Erlangen eines echten Organspendeausweises kein bürokratischer Aufwand. Entweder man druckt eine Vorlage einfach zuhause aus, macht den Haken, schreibt seinen Namen und Adresse drauf und fertig, oder man bestellt ihn sich kostenlos im Internet (z.B. bei https://www.organspende-info.de/organspendeausweis/bestellen ), hier empfehle ich übrigens die Plastikkarte, der Papierwisch wäre glaube ich bis zu meinem Hirntod unlesbar;).

    Was Stefan meinte mit den deutlich höheren Spenderzahlen in Spanien, hängt zwar auch zum großen Teil damit zusammen, dass dort die Widerspruchsregelung (also zu Lebzeiten muss man aktiv widersprochen haben) herrscht, aber auch, dass Organspende dort einen ganz anderen Stellenwert in der Bevölkerung hat, so treten etwa 80-85% der Bevölkerung einer Organspende positiv entgegen. Da gibt es auch die Informationen und eine ganz andere „Organ-Infrastruktur“, die haben zum Beispiel eigene Transplantationsbeauftragte in den Kliniken, während eine Transplantation bei uns eher so nebenbei abgehandelt wird. Ja, ich bin ganz eurer Meinung, da muss etwas bei uns geschehen. Das muss nicht mal unbedingt die Änderung zur Widerspruchsregelung sein (auch wenn ich das befürworten würde), wir brauchen vor allem Informationen und für jeden zum 16. Geburtstag (ab dem man selbst darüber entscheiden darf) einen kostenlosen Organspendeausweis im Briefkasten oder so.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr euren Hörern sagen könntet, dass diese Entscheidung doch sehr einfach zu dokumentieren ist und auch jederzeit veränderbar ist, da eure Entscheidung in keiner Datenbank gespeichert wird. Vor allem: Organspenden sind gut für unser Land.

    Um übrigens nochmal auf meine GFS zurückzukommen, ich bin mit 40 Organspendeausweisen zur Schule gegangen und hatte nach einer Woche keine mehr.

    So, dann mach ich mich mal an die nächste GFS zur Wiederbewaffnung in der BRD…
    Euch noch eine schöne Woche,
    Felix

  18. Hello! Ich studiere u.a. Soziologie an der Uni Münster. Guck mal Stefan (und Tilo auch, ist aber nerdy): Ein Seminar namens „Grenzen des Menschen – Soziologische Aspekte künstlicher Intelligenz und Transhumanität“. Nächstes Semester. Weiter unten eine kurze Seminarbeschreibung und Einstiegsliteratur. Vielleicht ja spannend für dich und evtl. Teil einer neuen Aufwachen-Soziologie-Folge mit Rena? 🙂

    https://studium.uni-muenster.de/qisserver/rds?state=verpublish&status=init&vmfile=no&moduleCall=webInfo&publishConfFile=webInfo&publishSubDir=veranstaltung&publishid=265842

    Hab euch lieb

  19. Hallo Tilo, hallo Stefan,
    ich möchte folgendes zum Thema Organspende anmerken:
    Die Aussage (einiger Medien), dass die Organspendebereitschaft in Deutschland besonders gering sei, ist falsch.
    Die Anzahl der erfolgten Organspenden hängt nicht unmittelbar und nicht nur, mit der Bereitschaft zur Organspende zusammen und auch nicht mit der Anzahl der Menschen die einen Organspendeausweis besitzen, sondern vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren, unter anderem der Anzahl der potenziellen Spender, der Anzahl von Krankenhäusern die zur Organentnahme befähigt sind und dem Engagement dieser Krankenhäuser eine Organentnahme zu initiieren und zu ermöglichen, was unter anderem den Kontakt zur DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation), das Gespräch mit den Angehörigen, sowie eine adäquate intensivmedizinische Betreuung beinhaltet, sowie den Rahmenstrukturen für eine Organsspende.
    Ich möchte folgende Punkte erwähnen um dies zu verdeutlichen:
    1. in Deutschland waren 2016 82% der Bevölkerung einer Organsspende gegenüber positiv eingestellt, 32% hatten einen Organspendeausweis (10 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2012) (Quelle: BZgA https://www.organspende-info.de/sites/all/files/files/Forschungsbericht_Organspende_2016_final(2).pdf)
    2. zwar hat die Anzahl der Spender in Deutschland seit 2011 abgenommen, zeitgleich haben aber auch die Zahl organspendebezogenen Kontakte (Kontakt zwischen Klinik und DSO, zur Überprüfung der Eignung potenzieller Organspender (erfolgt bei Verdacht auf Hirntod)) abgenommen, d.h. es gab auch weniger potentielle Organspender, bzw. weniger Meldungen an die DSO über potentielle Spender (Quelle: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/JB_2016_Web.pdf)
    3. Zwischen 2014 und 2016 hat die Anzahl der Organspenden, die aufgrund von mangelder Zustimmung der Angehörigen nicht durchgeführt wurden abgenommen (Quelle: https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/JB_2016_Web.pdf)
    4. Zitat Axel Rahmel (Medizinischer DSO-Vorstand): „In Deutschland ist Organspende noch immer zu sehr vom individuellen Engagement einzelner Ärzte in den Kliniken abhängig. Von zentraler Bedeutung ist die Behandlung am Lebensende – wenn es keine Überlebenschance mehr für einen Patienten mit kompletter Hirnschädigung gibt. Bevor intensivmedizinische Maßnahmen eingestellt werden, sollte immer auch an Organspende gedacht und darüber gesprochen werden. Das ist im Klinikalltag nicht immer der Fall. Das bedeutet nicht, dass sich Kliniken bewusst der Organspende verweigern. Die Ursachen liegen vielmehr in den enormen Leistungsverdichtungen in den Krankenhäusern, am Druck auf den Intensivstationen und im Personalmangel.“ http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/organspende-zahl-der-spender-sinkt-krankenhaeuser-sind-mit-schuld-a-1187928.html (Quelle: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/organspende-zahl-der-spender-sinkt-krankenhaeuser-sind-mit-schuld-a-1187928.html)

    In diesem Sinne würde ich sagen, die Aufgabe der Politik sollte nicht eine Verpflichtung zur Organspende, sondern vielmehr eine Verbesserung der strukturellen und personellen Möglichkeiten der Kliniken sein.

    Ich wünsche euch eine schöne Woche!
    LG

  20. Kann es nicht sein, das die Unterschiedlichen Angaben zu den kassierten BAMF-Entscheidungen auf unterschiedliche Bezugsgrößen beruhen?

    Die bald 50% kassierten Entscheidungen berufen sich ja lediglich auf alle Verfahren, welche vor Gericht verhandelt wurden.
    Dies sind aber nicht alle negativ beschiedenen Anträge und weiterhin fehlen ja auch alle positiven.

    Es mag schon sein, dass die Gerichte „nur“ 25% „aller“ BAMPF-Entscheidungen korrigierte.

    Gruß
    Fabian

  21. Zu Hübl: Die Prämisse, dass die Sprachfähigkeit universell und angeboren ist, ist, vorsichtig gesprochen, zumindest umstritten. Siehe bspw. die „linguistic wars“ zwischen Berkeley und MIT. Interessanterweise findet man bei genauem Hinsehen eigentlich keine Universalien zwischen den Sprachen der Welt, die nicht interaktionaler Natur sind, z.B. Clarification und Repair oder Turn-taking. Siehe bspw. Der Artikel „The Myth of Languge Universals“ von Evans und Levinson (2009) argumentiert hier ganz schlüssig. Insbesondere das Poverty of Stimulus-Argument, welches auch Hübl bringt, kann als widerlegt gelten, da der Stilumlus, den Kinder beim Sprachlernen bekommen, natürlich nicht so arm an Informationen ist, wie die Linguisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich hauptsächlich mit geschriebener Sprache beschäftigt haben, dachten: es gibt schließlich eine kommunikative Situation, Interaktion mit den Kommunikationspartnern, multimodal Kommunikation, und vielfache Wiederholung in unterschiedlichsten Kontexten. Zusätzlich hat Child-directed Speech viele Features, die gerade das Poverty of Stimulus Argument konterkarieren.

  22. Hey Tilo und Stefan,
    Die Kommentierung (30:00 min ff.)- einheitlicherer Rechtsprechung – von Herrn de Maizière darf man nun nicht falsch verstehen. Wobei das evtl. für ’ne BPK etwas unglücklich formuliert ist.
    Er meint damit ein Grundprinzip des Staatsorganisationsrecht, genauer das Rechtsstaatsprinzip. Hier gibt es so einen kleinen Merksatz: „Gleiches muss gleich und ungleiches ungleich“ behandelt werden.
    Er bezieht sich nicht auf einheitliche Urteile (so wie Ihr im Verlauf eures Gesprächs) – das wäre etwas ganz anderes und würde eben auch wieder gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Aber ich brauch das gar nicht weiter ausführen Du – Tilo – hast das selber studiert vermutlich weißt Du das sogar besser als ich.

    Was noch dazu kommt, dann würden die Aussagen von Herrn de Maizière für mich etwas mehr sinn machen ist, dass ich gehört habe – bitte überprüfen – das viele Verfahren in zweiter Instanz (Berufung) ein abgelehnter Asylantrag zugunsten des Antragstellers ausgeht; diese dann jedoch oft in der Revision (dritte Instanz) wieder gekippt wird. Wie gesagt ich selber habe dazu keine Informationen und ich kann mich nur dunkel erinnern dies von einem Richter am Verwaltungsgericht gehört zu haben.
    Allein diese Problematik zeigt das die Justiz da wirklich schlecht funktioniert — das laste ich nicht der Justiz an. Ich will dazu sagen ich bin SPD Mitglied, ich habe absolut kein Interesse so einen Innenminister zu verteidigen. Hier fand ich es allerdings angebracht.

  23. Hello,
    bezüglich dieser und der nächsten Folge (bin etwas durcheinander gekommen beim konsumieren) möchte ich sagen: Danke für die Macron/Europa-Diskussion in beiden Folgen. Komlexe Zusammenhänge scharf erklärt/ aufgedröselt und mal wieder ist das deutsche Selbstverständnis zur Thematik einfach erschreckend, aber bei bekannter Berichterstattung auch nicht verwunderlich, dass sich das so in der Volksseele festgesetzt hat. Der Deutsche bleibt selbstgerecht und ein Egoist und dabei haben bei Bedarf eben alle anderen Staaten drunter zu leiden. An diesem schiefliegenden Selbstverständnis muss dieses Land dringend arbeiten, jeder einzelne kann dabei bei sich selbst und seiner Einstellung anfangen.

    Thilo, ich wünsche mir mehr Argument und weniger Emotion. Du meinst sicher das Richtige (was auch immer das jeweils ist) aber deine Emotionen verbauen dir oft jedes Argument, bzw. hat man dadurch das Gefühl, dass da einfach auch keins drin steckt. Ich finde eure Diskussionen aber gerade deshalb sehr sehr gut für unser Land, da sie mir immer wieder vor Augen führen wie wichtig es ist nicht nur eine Meinung zu haben, sondern sie auch mit Wissen, Quellen, Statistikverstand untermauern zu können und mit Ruhe glaubwürdig vertreten zu können. Eine Kompetenz, die einem immer mehr abverlangt wird – niemand kann es sich mehr leisten keine Meinung zum politischen Geschehen zu entwickeln bzw. diese Meinung eben nur aus emotionalen Gründen zu vertreten, den Emotionen lassen sich zu leicht und beliebig steuern. Ich danke Euch sehr.

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